Für Smartphones wird empfohlen, sie zum Lesen horizontal zu halten!
In unserer Zeit suchte jeder seine individuelle Freiheit. Wir wollten die
Freiheit für die Erfüllung unserer persönlichen Ansprüche nützen. Wenn
einer sagte: Ich will meine Freiheit haben, meinte er, dass er tun und lassen
wollte, was ihm behagte. Ihr werdet begreifen, dass die Freiheit nicht
aufteilbar ist, vom einzelnen nicht für sich und seinen persönlichen Willen
beansprucht werden kann, ohne sie im selben Maße auch den Mitmenschen
zuzugestehen. Für Euch wird die Freiheit etwas Unteilbares sein.
Die Freiheit entfaltet ihren Wert und ihre Kraft erst, wenn alle daran Anteil
haben. Solange wir die Freiheit nur nützen, um unseren Vorteil zu suchen, können
wir die Flügel nicht ausbreiten, die sie uns verleiht und wir tragen weiter
an der Last der Erdenschwere, mühen uns vergeblich ab, um dieser zu entgehen
und uns in ein leichteres Leben aufzuschwingen.
Wir blieben Gefangene unserer Abgrenzung, die wir uns selbst geschaffen hatten, da
wir unsere Freiheit den anderen vorenthielten. Je mehr Eifer wir an den Tag
legten, um unsere Unabhängigkeit zu erringen, desto dunkler und finsterer wurde
die Nacht um uns. Wir lebten in selbstgewählter Isolationshaft, versuchten
uns in persönlichen Schutzbunkern vom Schicksal der anderen zu retten, voller
Angst, jemand könnte eindringen in den Raum unserer Privatsphäre. Weil wir
nur unseren eigenen Anteil der Freiheit in unserem Leben akzeptieren wollten,
lebten wir in ständiger Angst, diese könne bedroht, eingeschränkt, uns
weggenommen werden.
Unser größter Feind wurde der Tod, der unser Streben nach Freiheit des Handelns nicht
respektierte. So sehr wir ihn bekämpften und aus unserem Leben zu drängen
versuchten, so sehr wir vor ihm davonrannten, wir hörten doch immer seine
Stimme rufen: Ich bin das Ende Eurer Freiheit!
Wenn Ihr einmal die Freiheit ungeteilt und ganz annehmen werdet, wird sie Euch nicht
mehr genommen werden können. Ihr werdet die Kinder der Freiheit sein, wir
waren ihre Sklaven. Wir grenzten uns voneinander ab und ließen nur feste
Bindungen untereinander zu, ihr werdet fähig sein, in jedem Augenblick Euch
frei zu begegnen und Eure Last und Not gegenseitig zu tragen. Für Euch wird
es keine Frage sein, dass Ihr Eure Freiheit braucht, um allein mit den
Anforderungen des Lebens zurechtkommen zu können, ihr werdet Eure Freiheit nützen,
um Eure Kräfte weiterzugeben, wo sie gebraucht werden und die Kräfte der
anderen zu empfangen, wo Ihr sie braucht.
Eine Beziehung ruhen oder los zu lassen, in der es nichts zu erfüllen gibt, wird für
Euch so selbstverständlich sein, wie eine Beziehung neu zu knüpfen, wo eine
gegenseitige Ergänzung vonnöten ist. Es wird für Euch keinen Grund mehr
geben, eine Beziehung nur formal aufrechtzuerhalten, wenn sie ihren
gemeinsamen Sinn verloren hat und Euch gegenseitig durch sie einzuschränken
und zu behindern.
Ihr werdet Euer Handeln orientieren an der Entwicklung des Lebens eines Menschen,
am Fortgang der Schöpfung. Die Freiheit zu handeln wird höher stehen als die
Frage, ob sich Euer Handeln lohnt, ob ein sichtbarer Erfolg zu erwarten ist.
Und umgekehrt werdet Ihr bereit sein, die aus freiem Willen entspringende
Zuwendung Eurer Mitmenschen anzunehmen, wenn sie Eurem Weiterkommen dient.
Für Euch wird die Freiheit das Mittel werden, Abgestorbenes zu überwinden und
Euch immer wieder neu dem Lebendigen zu öffnen. Ihr werdet dem Tod seine
Freiheit lassen können, so wie Ihr sie jedem anderen zugesteht und dadurch
Euren Anteil am unsterblichen Leben der Freiheit gewinnen.