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Liebe Kinder von morgen,
Ihr werdet lachen, wenn ihr diesen Brief einmal lesen werdet, aber hier und heute ernte ich mit diesen Gedanken an euch nur ärgerliche Kommentare, denn es ist neuerdings eine Mode geworden, die Geschlechter, mit denen wir geboren werden, gegeneinander abzuwägen und eine äußere Gleichstellung zu fordern. Dies beginnt in der Sprache, setzt sich fort im Arbeitsleben und geht weiter bis in die Politik hinein. Ich könnte euch Seiten füllen mit Beispielen der kuriosesten Art, ganz zu schweigen von den Fällen, in denen das Geschlecht sogar mit Hilfe der Medizin umgewandelt wird.
Ich will euch nicht langweilen, denn diese Auseinandersetzung ist ja längst nicht mehr euer Thema, da ihr inzwischen ja zu dem Menschsein gefunden habt, das nicht mehr von irgendwelchen äußeren Attributen abhängt und auch euer Geschlecht nur einer der vielen Wege für euch ist, eure Menschlichkeit zu entwickeln und auszudrücken. Das kann als Mann genau so gut geschehen wie als Frau, im jungen Alter und auch noch kurz vor dem Tod. Für euch ist es selbstverständlich, dass überall auf der Erde, in jeder Religion ein Mensch zu sich finden und sich vervollkommnen kann.
Ihr wollt nicht darüber streiten, welche äußere Gestalt die bessere oder privilegierte ist, aber um so wichtiger nehmt ihr es, alles zu vermeiden, was euch von dem Weg eurer Menschwerdung abbringt. In unserer Zeit erscheint es absurd, die Vervollkommnung des Menschen als Ziel des Lebens zu begreifen. So wie ein Mann oder eine Frau gerade ist, so betrachtet sich jeder bereits als fertigen Menschen und es geht nur darum, welche Rechte ihm zugestanden oder verweigert werden. Dass man weder auf männliche, noch allein auf weibliche Art überhaupt ein ganzer Mensch sein kann, wird kaum in Betracht gezogen.
Da wird es euch auch nicht verwundern, dass von vielen nur eine verkörperte Person als vollwertiger Mensch angesehen wird, am besten noch in einem jungen und leistungsfähigen Zustand. Die für euch selbstverständliche Tatsache, euch den Menschen auch in einer geistigen Lebensweise vorzustellen, wird weitgehend als ein Märchenglaube oder altmodische Religiosität abgetan.
Das ist zwar nur eine der vielen unverständlichen Erscheinungen unserer Zeit für euch, aber sie zeigt doch, wie weit wir noch entfernt sind von einer Erkenntnis dessen, was der Mensch seinem Ideal nach ist. In jedem von uns ist zwar der Keim zum ganzen Menschsein angelegt, aber es fehlt uns noch weitgehend der innere Humus, damit er sich entfalten kann. Dafür gibt es jedoch leider viele Maßnahmen, die ihn schon frühzeitig ersticken, so dass nicht wenige, kaum einmal halb fertige Menschenwesen herum laufen, die aber überzeugt sind, schon ihr ganzes Menschentum erreicht zu haben.
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