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Wir waren die Generation des Übergangs.
Vor uns lebten die Menschen noch weitgehend nach aussen orientiert, sie fanden
ihre Identität, indem sie sich selbst durch ihr Verhältnis zu ihren
Mitmenschen definierten und sich vorwiegend an den Gegebenheiten der sichtbaren
Welt orientierten. Sie gehorchten den Richtlinien der Gesellschaft, lebten in
den Traditionen, die ihnen von ihren Vorfahren vorgegeben waren und wandten die
wissenschaftlichen Ergebnisse an, die sie aus ihrer Naturbeobachtung entnahmen.
Es gab wohl einzelne, die sich dem Diktat dieser Gesetze nicht unterwarfen und
aus der Kraft ihres eigenen Wesens lebten, aber sie galten als Aussenseiter oder
Narren und mussten sich ihr Leben am Rande der bürgerlichen Ordnung suchen.
Gleichzeitig begannen jedoch allgemein in unserer Gerneration die
Bindungen an das Althergebrachte auf breiter Front abzubrechen. Losgelöst von dem Bann
der geschriebenen und ungeschriebenen Regeln und Vorschriften der bisherigen
Gebräuche, lebten immer mehr Menschen nach ihrer eigenen Überzeugung,
aber wir waren doch noch weitgehend in der Welt verhaftet, in der man
sich nach äußeren Vorgaben richtete und ein Vorwärtskommen davon abhing, ob
sich jemand an das allgemein Akzeptierte hielt. Wir begannen nur zögerlich, aus
unserer eigenen Verantwortung und nach unserer eigenen Überzeugung zu leben und
gleichzeitig uns aufzuschließen für die Eigenart all dessen, was uns
gegenüber trat.
Wir waren zwar schon befreit von den
hergebrachten Bindungen an Beruf, Familie, Volk, Staat, aber wir waren doch noch
nicht frei genug, um einander offen und vorurteilsfrei begegnen zu können. Die
einen suchten weiterhin nach dauerhaften Beziehungen, fester Partnerschaft, wenn
auch oft außerhalb der traditionell vorgeschriebenen Bahnen, die anderen
scheuten sich vor tief wirkenden Begegnungen zu anderen Menschen aus Angst, ihre
gewonnene Freiheit zu verlieren. Es gab wenige, die eine intensive Begegnung mit
einem anderen Menschen erleben konnten, ohne diesen in Besitz nehmen oder an sich
binden zu wollen.
Ihr werdet zwischen diesen Extremen
zu einer Begegnungsfähigkeit finden, die es euch erlaubt, völlig ihr selbst zu
sein und gleichzeitig euch vorbehaltlos mit dem Wesen eines anderen Menschen verbinden
zu können. Ihr werdet euch auch als Erwachsene wieder wie Kinder begegnen und
jeden Augenblick intensiv ausschöpfen, dabei ganz in der Begegnung mit der Welt und den
Menschen aufgehend, ohne im Vertrauten zu verharren und in allem nach
einer Bekanntheit zu suchen, aber auch ohne in allem Andersgearteten etwas
Feindliches zu befürchten.
Ihr seid die Kinder der Zukunft
nicht nur, weil ihr die später geborenen seid, sondern weil ihr zurückfinden
werdet zu der Kindlichkeit des menschlichen Wesens. Da ihr euch dabei
gleichzeitig die Erfahrung und Erkenntnis des gereiften Menschen bewahren werdet,
seid ihr nicht zum Scheitern in der Welt verurteilt, in der allein der Verstand
regiert, sondern könnt über diese hinauswachsen und mit eurem Einfallsreichtum,
eurer Spontaneität und Freude am Gestalten euer Leben auch ohne die stützenden
Vorgaben der genormten Wege und standardisierten Muster menschlichen
Zusammenlebens auf immer neue Weise entwickeln.
Die meisten von uns suchten zwar
auch danach, ihre Individualität auszuleben, sich selbst zu verwirklichen, wie
es zu unserer Zeit hieß, aber sie suchten gleichzeitig noch nach der Bestätigung
für die Richtigkeit des eigenen Verhaltens, warteten auf das Echo der anderen,
um sich durch sie über die in uns selbst liegende eigene Wahrheit zu
vergewissern. So lebten wir in einer Zeit, in der jeder, der sich aus der
vorgegebenen Marschroute herauslöste, zunächst in einen Widerspruch zwischen
sich und seiner Umgebung geriet. Die Folge war eine um sich greifende
Zerrissenheit zwischen dem, was an Werten anerkannt war durch die Gesellschaft
und dem, was im einzelnen selbst individuell und einzigartig begründet war und
nach Verwirklichung drängte.
Für euch wird der Konflikt kaum mehr verständlich
sein, zwischen der existentiellen Bedrohung der Identität des
einzelnen und der Angst vor der Vernichtung der Werte der Gesellschaft und
Kultur. Ihr werdet eure Größe nicht mehr nur daran messen, wie
weit ihr übereinstimmt mit den Vorgaben und Normen eurer Mitmenschen, sondern
werdet in der Lage sein, euren eigenen Wert aus euch selbst heraus zu bestimmen
und diesen in die Gesellschaft hineinzutragen. Wo wir noch weitgehend daran
gemessen wurden, ob wir Vorgegebenes nachvollziehen, Erwartetes erfüllen
konnten, wird es für euch selbstverständlich sein, eigene Lösungen zu finden,
eigene Maßstäbe zu schaffen. Während in unserer Zeit eigenwilliges Vorgehen
oft als abartig, revolutionär verdächtigt und unterdrückt wurde, wird es für
euch selbstverständlich sein, mit unerwarteten, außergewöhnlichen, aus dem
Rahmen fallenden Antworten auf die Probleme eurer Zeit zu reagieren.
Wenn wir nach Vorbildern für
solches Verhalten suchten, mussten wir noch weit in der Geschichte zurückgehen,
um dieses kreative Potential in uns Menschen in einer Persönlichkeit wie der
Leonardo da Vincis aufleuchten zu sehen. Bei euch wird sich dieses Prinzip in
jedem einzelnen von euch regen und ausdrücken wollen. Nicht nur auf der Stufe
genialen prophetischen Wesens, sondern an jedem Platze eures Wirkens werden die
äußeren Anforderungen und euer inneres Korrespondieren nicht mehr vom Geist
der Anpassung und Wiederholung, sondern von Erfindergeist und individueller
Ausschöpfung des Augenblicks geprägt sein. Dabei wird es euch selbstverständlich
sein, dass ihr euch nicht zurückzieht von den anderen Menschen, wenn ihr eure
Eigenart finden wollt, dass ihr euch nicht abgrenzen und abheben wollt von den
anderen, sondern dass ihr gerade dadurch zu eurem Menschenwesen finden
werdet, weil ihr euch mit eurer ganzen Individualität in Beziehung setzen könnt
zum Ganzen der Gesellschaft und zur Welt, in der ihr lebt.
Wir bildeten in unserer Zeit die Brücke
zwischen den vergangenen Wegen unserer Vorfahren, die die Welt eroberten und
sich selbst dabei verloren, weil sie sich einseitig an die sichtbaren
Erscheinungen und ihre Gesetze gebunden hatten, und eurem Weg, der euch wieder
zu eurem in euch wohnenden eigenen Wesen zurückfinden lässt, ohne dass ihr
dabei die Basis verliert, die sich die Menschheit bis zu eurer Zeit schaffte.
Während wir zwischen der Freiheit
unseres Ichs und der Gebundenheit an die Welt und unsere Mitmenschen noch hin-
und herschwankten, werdet ihr es verstehen, aus eurer individuellen Freiheit
heraus die Verantwortung für euch selbst und eure Welt zu übernehmen.
Wir sind noch in eine Welt
hineingeboren worden, in der nur das Sichtbare, Messbare, Greifbare zählte
und wurden erst allmählich wach für das schöpferische Wirken hinter der
sichtbaren Fassade der Welt der sinnlich fassbaren Erscheinungen und in uns
selbst, ihr werdet bereits mit dem Bewusstsein auf die Welt kommen für die Präsenz
eures von Körper und Erde unabhängig wirkenden Ichs.
Ihr werdet in der stofflichen Welt
verkörpert und in diese integriert sein können, ohne das innere Wesen zu
verlieren, das eure Individualität ausmacht und ohne dass euch die Erinnerung
an euren geistigen Ursprung abhanden kommt. Dadurch werdet ihr immer dann, wenn
die Zwänge des Stofflichen Überhand zu nehmen drohen, anknüpfen können an
dem freien Schöpfergeist, der in euch lebendig ist. Solltet ihr Gefahr laufen,
euch von euren geistigen Fähigkeiten verleiten zu lassen, das Erdenleben zu
missachten, werdet ihr euch rechtzeitig daran erinnern können, wie wertvoll
dieser Aufenthalt in einem Körper aus Fleisch und Blut für die Entwicklung
eines freiheitlichen Menschenwesens für uns ist.