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1
Wir legen im Herbst eine Zwiebel in die Erde,
auf dass daraus ein Blümlein werde,
im folgenden Jahr, im Frühling dann,
schauen wir mit Freude die Blüte an.
Wenn die Zeit vorüber zieht
und die Blume dann verblüht,
ist ihr Verwelken kein Grund zu Trauer,
denn ihr neues Leben liegt schon auf der Lauer.
Ohne dass man das von außen sieht,
was sich in der Zwiebel drin vollzieht,
ist darin schon eingezogen und daheim
für die nächste Runde der neue Keim.
Das geht vor sich so ganz im Stillen,
ohne des Menschen Zutun und Willen,
jedes Mal spielt sich dieser Zyklus ab,
halb hell im Licht, halb versteckt im Erdengrab.
Wir werden nur eine kurze Phase gewahr,
der Rest vollzieht sich unsichtbar,
doch zweifelt niemand, auch wenn man lange nichts sieht,
dass alle Jahre wieder die Blume blüht.
2
Wenn nun auch des Menschen Lebensgang
kurz nur ginge einen sichtbaren Weg entlang,
jedoch vorher und nachher eine lange Phase
verliefe auf einer unsichtbaren Straße?
Das wäre eine bedenkenswerte Vision,
und der Gedanke lohnte sich schon,
nicht nur das Blühen des Lebens als wahr zu betrachten,
sondern auch auf dessen Vergehen und Entstehen zu achten.
Dann gäbe es keine Ankunft und keinen Abschied,
es wäre wie bei einer Kette, Glied folgt auf Glied,
im Leben gäbe das eine dem anderen die Hand,
im stetigen Wandel, immer im Gehen, nie im Stand.
In der Geburt zu erstehen wie aus einem Kern,
sich zu freuen am Dasein und sich zu mehr'n,
endlich friedlich sich ins Grab zu legen,
wie ein Samen, der dann beginnt sich zu regen.
Auch wenn wir nicht wissen, was genau geschieht,
weil niemand diesen Kreislauf vollständig sieht,
so könnten wir doch in dem Menschen, der geht,
schon (mit Freude) das Kindlein sehen, das aus ihm entsteht.