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Domenico Ghirlandaio: Großvater und Enkel, ca. 1490
Ich wende mich an dich, mein Kind,
das du wachsen willst geschwind,
um zu werden wie die großen Leute,
so wie du sie siehst von deiner Seite.
Tu langsam, lasse dir Zeit,
zum Wachsen brauchst du eine Ewigkeit,
der Mensch in dir muss lange reifen,
das musst du schon jetzt ganz fest begreifen.
Viele sind ungeduldig gewachsen in ihren Jugendjahren,
um dann ganz schnell zu erfahren,
dass die Uhr stets weiter tickt
und keinem eine Ausnahme glückt.
Kaum erwachsen, schauen sie dann zurück
mit nostalgisch verklärtem Blick
und statt gemächlich sich zu entfalten,
wollen sie verbleiben in ihrem Alten.
Das geht ein Leben lang so weiter,
statt hinauf zu klettern wie auf einer Leiter,
bleibt eine solche Seele
stehen auf der frühen Stelle.
Noch in vorgerückten Jahren,
wird nichts Neues mehr erfahren,
es zählen für die ewig Jungen
nur die alten Erinnerungen.
Wenn einer dann von sich als Kind erzählt,
statt von seinem heutigen Stand in der Welt,
dann wirst du nicht sehr betroffen sein,
denn das Kindsein verstehst du auch allein.
Du bist gekommen nicht nur zu deinem Vergnügen,
deine Seele sagte: Lass uns neue Kräfte kriegen!
Begeistert hast du dich auf die Reise gemacht,
um dich zu entwickeln und das mit Macht.
Noch in der letzten Stunde
dieser kurzen Lebensrunde
kann ein Mensch sich Kraft erringen
und ihm sein Vorhaben gelingen.
Doch wenn er schon mit dreißig auf der Stelle tritt,
bekommt er von seiner Lebensfahrt nicht viel mit
und wird nur sich wiegen in der Illusion,
dass er noch so ist, wie damals schon.
Alt werden ist nicht nur eine Jugend, die verjährt,
sondern auch das, was der Mensch erfährt,
wer nur jung sich fühlt sein Leben lang,
dem fehlt am Ende die Reife zum Übergang.
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