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Credit: Raphael, Tobias und der Engel - commons.wikimedia.org
1
Wenn ein Kind, nach einiger Zeit,
zum ersten Male auf sich zeigt,
beginnt es sich von der Mutter zu trennen
und sich als einzelner Mensch zu erkennen.
Je mehr dieser wächst in seiner Hülle,
desto größer wird auch sein eigener Wille,
wenn dieser immer heftiger in ihm funkt,
wird sich der Mensch zum Mittelpunkt.
Alles soll sich um ihn drehen
und nach seinem Kopfe gehen,
sonst blitzt der Zorn aus seinem Blick
oder er zieht sich trotzig zurück.
2
Das geht dann munter ein Leben lang weiter,
die Psychologie kennt diese Folgen leider,
Erziehung und Therapie haben es schwer,
eine radikale Wende muss einmal her.
Manchmal greift das Schicksal herein
oder ein Schock wirkt auf den Menschen ein,
um ihn aus seiner Selbstbezogenheit zu wecken
und ihm zu helfen, sich anders zu entdecken.
Dann werden die Schatten nicht weiter gemehrt,
das Flüchtige teilt sich vom bleibenden Wert,
was dann schwer zu Boden sinkt,
hilft mit, damit eine Neubeginn gelingt.
3
Die frische Sicht lässt das alte Feuer vergehen,
aus der Asche kann der Mensch erneuert erstehen,
diesmal nicht nur deutend auf sich,
sondern erkennend sein höheres Ich.
Dann zeigen sich ihm die beschränkten Grenzen,
seines bisherigen Fühlens, Wollens und Denkens
und es weitet sich ihm der Horizont,
in dem sein wahres Menschsein wohnt:
Nicht ich, so wie ich bin in meines Leibes Zelle,
kann frei und wahr sein in meiner Seele,
erst wenn sich dazu als Drittes gesellt der Geist,
finde ich zu dem Sinn dessen, was Ich sein heißt.
4
Nicht mehr ich allein, sondern mein Engel mit mir,
zusammen gehen durchs Leben jetzt wir,
was mich trennte von ihm und meiner Wahrheit,
soll weichen der jetzt erwachenden Klarheit.
Ich will die Hand, die sich mir reicht, erfassen
und mich von ihm führen lassen,
mit ihm verbunden will ich schreiten,
er soll mich auf meinem Weg leiten.
Nur wenn ich verlasse, was mich zurück hielt,
kann erscheinen mein kommendes Bild.
erst wenn ich erkenne mein wahres Ziel,
kann ich zu dem werden, was in mir werden will.
5
Auf meiner Bahn mich selbst umkreisend,
auf mein Ebenbild im Zentrum weisend,
lasse ich hinter mir die Krusten,
die sich in mir zu bilden wussten.
Weg von dem, was nicht mehr zählt,
von der unteren zur oberen Welt,
aus den Schatten der Lust und Triebe
tauchen auf das Licht und die Liebe.
Wo vorher mein Finger auf mich allein zielte
und ich nur im Leib als Mensch mich fühlte,
sehe ich jetzt, von den Hüllen entkleidet,
woher ich kam und wer mich nach Hause begleitet.