Es sind auch die Schwierigkeiten, die uns im Leben voran bringen und nicht nur die Annehmlichkeiten.
Es war einmal ein Mann, den nannte man den Rosenkönig, weil er es verstand, in seinem Garten die schönsten Rosen wachsen zu lassen. Alle bewunderten ihn und fragten sich, wie seine wunderbaren Züchtungen zustande kamen. Aber er verriet niemand sein Geheimnis, denn in Wirklichkeit war es gar nicht sein Verdienst. Tatsächlich machte er nichts anderes, als an den abgelegensten Stellen im Wald nach dort wachsenden wilden Rosen zu suchen. Je karger der Boden dort war, um so wertvoller waren ihm die Pflanzen, denn sie mussten tief wurzeln und kräftig sein, um aus dem Boden die Stoffe zu saugen, die sie zu ihrem Wachstum brauchten. Zwar hatten sie nur wenig Blüten, aber diese bildeten im Herbst herrliche Früchte mit starken Samen, die ihnen trotz der unwirtlichen Bedingungen ein Überleben sicherten.
Wenn er sie in die fruchtbare Erde seines Gartens setzte und dazu noch kräftig düngte, wuchsen sie schnell zu herrlichen Blumen heran, während sie es im Wald trotz aller Anstrengung nur zu kleinen und bescheidenen Blüten gebracht hatten. Jahr für Jahr wurde sein Garten reicher, während die Wälder immer ärmer an den kleinen, aber kräftigen Hundsrosen wurden. Er dachte, dies ginge immer so weiter und kam sich selbst schon wie ein immer wohlhabender werdender König vor.
Tatsächlich aber geschah unter der Erde in seinem Garten gerade das Gegenteil, die verwöhnten Wurzeln der Rosen wurden immer bequemer und fauler, denn da sie leicht mehr als genug Nährstoffe für sich fanden, wurden sie immer schwächer und saugten immer weniger auf. Zwar blühten die Pflanzen weiterhin wunderschön auf, aber sie welkten bald und brachten kaum mehr Früchte hervor. Das kümmerte den Züchter nicht viel, weil niemand die Hagebutten haben wollte und alle nur die vollen Blüten und ihre herrlichen Farben bestaunten.
Eines Tages begannen jedoch die ersten Rosenstöcke im Frühjahr nicht wie üblich auszutreiben, sie bildeten einige Blätter, aber setzten keine Blüten an und es genügte ein Gewittersturm, um sie umzuwerfen. Dann sah man, dass sie fast gar keine Wurzeln mehr hatten und nur noch das aufnahmen konnten, was unmittelbar an ihrer Oberfläche war. Sie hatten ihre ursprüngliche Stärke verloren, aber sie waren auch nicht einmal mehr imstande, mit der Fülle im Boden angemessen umzugehen. So gingen immer mehr seiner Rosen ein und die Leute begannen über den ehemaligen Rosenkönig zu spotten.
Dieser machte sich verzweifelt auf, um in den Wäldern nach wilden Pflanzen zu suchen, aber es gab dort keine mehr. Bedrückt ging er in seinem Garten zwischen den bequem gewordenen Rosenstöcken umher, aber er fand keine Lösung, um sie wieder zum Blühen anzuregen, sie waren zu verwöhnt und zu schwach geworden, um weiter wachsen zu können. Als er jedoch in eine entfernte Ecke seines Gartens kam, dorthin wo der Untergrund nur steinig und felsig war, sah er dort versteckt eine wilde Rose blühen, sie war kräftig und ihre kleinen Blüten wirkten frisch und lebendig. Er wusste selbst nicht mehr, wie sie dorthin gekommen war, aber er sah ein, dass es der Reichtum des Humus war, der seine großen Rosen schwach gemacht hatte, während hier die Wurzeln der kleinen Hundsrose sich so anstrengten, dass sie trotz der Armut des Bodens genug Nahrung finden konnten, um nicht nur bescheiden zu blühen, sondern um auch Früchte tragen zu können.
Als er daraufhin aufhörte, die anderen Rosenstöcke so kräftig zu düngen wie bisher, trieben allmählich auch aus ihren verkümmerten Wurzeln wieder wilde Rosen aus. Sie hatten zwar nicht mehr die reichen Blüten, aber sie bildeten herrlich rote Hagebutten aus. Die Blumen konnte er den Leuten nicht mehr verkaufen, aber begann deren Früchte zu verwerten und bot diese seltenen Waren auf dem Markt an. Niemand nannte ihn mehr den Rosenkönig, aber von allen wurde er respektiert als ein erfahrener Mann, der es verstand, die Menschen und die Natur zu respektieren.